Aktuelle Rechtsfragen zum Bologna-Prozess - Teil 1
Übergreifende Rechtsfragen
Gemessen an der Zahl der verwaltungsgerichtlichen Auseinandersetzungen um die Durchführung von Prüfungen bei Diplomstudiengängen sind die bisherigen Streitfälle bei der Anwendung von gestuften Studiengängen gering. Eine Erklärung ist sicherlich darin zu finden, dass zahlenmäßig immer noch nicht mehrheitlich nach den neuen Studiengängen studiert wird. Zum anderen dürften die Akteure erst einmal zufrieden sein, wenn die komplizierten Umstellungsschritte überhaupt gelingen. Aber Achtung: Es widerspräche allen bildungspolitischen Erfahrungen, wenn das neue Reformvorhaben von juristischen Auseinandersetzungen umfangreichster Art verschont bliebe! Das neue Ausbildungssystem ist komplizierter, auf zahlreichere Prüfungsnachweise angelegt und in den Lehrveranstaltungen nachgefragter. In Verbindung mit den erwarteten steigenden Studentenzahlen werden vorhersehbar viele behauptete oder tatsächliche Nachteile in einklagbare Rechtspositionen gekleidet werden. Es gilt also vorbereitet zu sein.
Den Grundlagen des Bologna-Prozesses und der Rechtsetzung der einzelnen Prüfungsordnungen ist mithin größte Aufmerksamkeit zu schenken. Sind diese bereits fehlerhaft, drohen der gesamte Prüfungsablauf und dessen Erfolg rechtswidrig und damit aufhebbar zu werden. Eine Prüfung ist nur dann rechtsstaatlich, wenn sie auf der Grundlage einer fehlerfreien Prüfungsordnung durchgeführt worden ist. Damit rechtfertigen sich die aus der Gliederung ersichtlichen zentralen Fragen. Der Beitrag besteht aus zwei Teilen. Zunächst werden übergreifende Rechtsfragen erörtert, also strittige Fragen, die die rechtlichen Grundlagen aller zu erlassenden oder vorhandenen BA- und MA-Ordnungen betreffen (Teil I). Im Folgenden sind Einzelfälle aufzugreifen, bei denen bereits in der Anwendung der neuen Ordnung kritische Fragen aufgetreten sind oder deren Regelung umstritten ist (Teil II).